Buntes Lesefutter für Phantasten

Die dunkelbunten Farben des Steampunk Buchcover Rezension

Anthologien sind ja so eine Sache. In jeder finden sich gute und schlechte Kurzgeschichten; Geschichten, die nerven und Geschichten, die auf ihren wenigen Seiten erfreuen. Das dachte ich zumindest, bis ich auf die Steampunk-Kurzgeschichtensammlungen des Art Skript Phantastik-Verlages stieß. Der junge Verlag mit dem langen Namen hat sich auf Steampunk und Fantasy spezialisiert und mehrere Kurzgeschichten-Anthologien rund um Steampunk herausgegeben. Die liebevoll gestalteten Taschenbücher haben mich davon überzeugt, dass auch ganze Sammlungen ein durchgängig hohes Niveau aufweisen können.

Noch beim Kauf der Titel war ich skeptisch, dann aber habe ich alle drei Bücher schnell und mit großem Vergnügen hintereinander weggelesen. Gleichwohl Steampunk an sich förmlich zur Epik einlädt, funktioniert das Genre auch in Kurzgeschichten sehr gut – vorausgesetzt, man nimmt als Zutaten eigenwillige Charaktere, übernatürliche Wesen und eine große Portion Action. Die Bücher im Einzelnen:

 

Steampunk 1851 Buchcover Rezension

Aus dem Jahr 2013 stammt die älteste und seitenärmste der drei Anthologien. „Steampunk 1851“ besticht optisch durch sein originelles Cover und ist mit „Düstere Geschichten zwischen Zahnrad-Mechanik & Gaslicht-Romantik“ untertitelt, beinhaltet aber vom ersteren wesentlich mehr als vom letzteren. Acht Geschichten gibt es auf rund 120 Seiten hier zu lesen, allesamt bildhaft geschrieben und voller atmosphärischer Details. Am besten gefallen hat mir „Monsieur Foucault und das Wesen des Lichts" von Sabine Frambach, die einen jungen Dämon auf die Erde geschickt hat, um die Menschheit zu terrorisieren. Die Autorin lässt den Dämon bei einem typischen Steampunk-Erfinder landen, und das führt zu herrlich absurden Szenen. Auch „Archibald Leach und die Rache des Toten" von Markus Cremer ist mir im Gedächtnis geblieben. Zwar wirkte die Schreibe stellenweise holprig, aber der vergeistigte, geniale Professor und seine jüdische Assistentin mit dem mechanischen Arm, die unsterblich in ihren Arbeitgeber verliebt ist, ohne dass der es merkt - das sind Charaktere, die man so schnell nicht wieder vergisst.

 

Steampunk Akte Deutschland Buch Cover Rezension

Bereits wesentlich seitenstärker kommt die ein Jahr später erschienene „Steampunk Akte Deutschland“ daher. Das Covermotiv des braunen Schmetterlings findet sich auch im Anschnitt, und wie auch schon im Vorgänger haben die Fußzeilen und Seitenzahlen einen hübschen Vintage-Touch. Das Layout spiegelt dabei den Inhalt, der von einem anonymen Verfasser wie folgt erklärt wird: Die Akten einer Geheimorganisation namens Schmetterling sollen der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, damit sie endlich die Wahrheit über das Wirken übernatürlicher Wesen im Deutschland der Kaiserzeit erfahre. Die 15 wichtigsten Akten seien auf den knapp 220 Seiten versammelt und werden dann folgerichtig auch immer mit der Aktennummer aufgeführt. Hier finden sich teils recht brutale, teils niedlich-komische Geschichte rund um Zahnräder, Luftschiffe und übernatürliche Wesen. Schmökertipps: Katharina Fiona Bodes „Erasmus Emmerich und der Messing-Türknauf“, die mit einem verrückten Forscher und seiner Freundin, einer qualmenden Fee zwei wirklich komische Charaktere erschaffen hat, und der im Gegensatz eher deprimierende „Seelenverzehrer“ von Daniela Herbst. Eine Geschichte um Gier, Macht und Reichtum, die selbstverständlich nicht gut ausgeht. Aber auch Archibald Leach erlebt hier ein neues Abenteuer.

 

Die dunkelbunten Farben des Steampunk Buch Cover Rezension

Gleichsam durch Optik wie Inhalt besticht „Die dunkelbunten Farben des Steampunk“ aus dem Jahr 2015 – ein Titel, der zugleich Anthologiekonzept ist. Jeder der versammelten 14 Texte behandelt eine andere Farbe, und in dieser ist der Text dann auch gedruckt. Eine schöne Idee, ein Buch so farbenfroh mit seinem Inhalt zu verknüpfen! Und bevor sich jemand fragt, wie gut dieses Bunte dann noch zu entziffern ist: Alle Geschichten auf den fast 300 Seiten sind wirklich einwandfrei zu lesen. Auch hier gibt es ein Wiederlesen mit Markus Cremer („Archibald Leach und das Grauen in Orange“) und einigen anderen früheren Autoren. Darüber hinaus beeindruckt „Rot wie Teufelsatem“ von Corinna Schattauer durch eine überraschenden Twist am Ende ihrer hoffnungsvollen,  durchgängig in rot getünchten Geschichte, in „Helena Roth und die grasgrüne Seide“ erläutert Isabelle Wallat, warum Grasgrün zwar beruhigend auf die Augen wirkt, aber durchaus gefährlich werden kann und „Hellbraun – Leben und Tod“ von Daniel Schlegel erzählt davon, wie der Kampf um Wasser in einem Wüstenstaat schlafende Geister wecken kann. In jeder Hinsicht außergewöhnlich ist schließlich „Das Türkis des vergessenen Sommers“ von Sabrina Zelený, das nicht nur aufgrund seines herrlich melancholischen Titels, sondern auch aufgrund von Idee und Umsetzung das gesamte Farbspektrum reflektiert und mich daran erinnert, dass Phantasie nicht umsonst mit dem Adjektiv „bunt“ in Verbindung steht – genau wie die gesamte Anthologie.

 

In jeder Sammlung fanden sich Texte, die mehr überzeugten als andere – aber nirgends habe ich es bereut, alle Geschichten gelesen zu haben. Die Einbettung der Stories in ein übergeordnetes Gesamtkonzept ist eine schöne, leider noch viel zu selten gelesene Idee für derlei Sammlungen. Doch natürlich gibt es auch kleinere Kritikpunkte: Bereits deutlich geworden sein dürfte, dass sich die Geschichten alle recht ähnlich sind. Dabei führt vor allem der übernatürliche Aspekt schnell zu einer gewissen Sättigung, denn durch Zauberei, Magie und außerweltliche Substanzen ist einfach alles, aber auch alles, leicht erklärbar. Ein gewisser Trashfaktor ist daher nicht zu verleugnen. Außerdem lassen Kurzgeschichten naturgemäß nicht eintauchen, müssen vieles auslassen, das in einem Roman ausführlich zur Atmosphäre beitragen würde. Die eine oder andere Geschichte wirkt daher eher skizzenhaft. An wenigen Stellen hätte das Lektorat zudem sorgfältiger arbeiten müssen. Hilfreich hingegen die Autorenvorstellung am Ende aller drei Bände – hier lässt sich mehr über den oder die Schreiber der persönlichen Favoriten herausfinden. Einige der Autoren werden im Laufe des Jahres auch noch mit eigenständigen Werken im Verlag vertreten sein: „Erasmus Emmerich und die Maskerade der Madame Mallarmé“ entführt in Romanlänge in die humorvolle Welt von Katharina Fiona Bode, und zwei weitere Steampunk-Romane erwarten ihre Fertigstellung. Für 2017 ist dann die nächste Anthologie geplant.

 

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