Der Ruhrtal-Radweg ist längst kein Geheimtipp mehr. In den zehn Jahren seines Bestehens fuhren über eine Million Menschen die rund 230 Kilometer vom Sauerland ins Ruhrgebiet. Sechs davon waren wir.
230 Kilometer sind für absolute Touranfänger eine ganze Menge. Wir sechs (zwei Mal um die 30 Jahre alt und recht sportlich, vier Mal um die 60 Jahre alt und mit mehrjähriger Fahrrad-, aber keinerlei Tourerfahrung) teilen uns die Strecke auf fünf Tage auf. Wir nutzen einen Gespäckservice, der unser Hab und Gut ins nächste Hotel bringt, das wir immer morgens beim Frühstück auswählen und bei dem wir uns telefonisch ankündigen.
Ruhrtal-Radweg Etappe 1: Winterberg - Olsberg
Für Mai sind die Temperaturen in diesem Jahr unglaublich niedrig - hier im Sauerland soll es sogar noch Nachtfrost geben! Nichtsdestotrotz fahren wir mit der Bahn aus dem Ruhrgebiet heraus ins schöne Sauerland. Die tolle Panoramafahrt gestaltet sich unproblematisch; außer uns sind keine weiteren Radler im Zug, obwohl es zu Stoßzeiten (Ferien, Feiertage und Co.) auf der Strecke recht voll sein muss. Bereits auf dieser Zugfahrt begegnet uns fortwährend die Ruhr – jener Fluss, dem wir in den nächsten fünf Tagen von der Quelle bis zur Mündung folgen werden.
Ab dem Bahnhof in Winterberg ist der Startpunkt der Tour ausgeschildert. Nach einem ersten Anstieg fahren wir zur malerischen Ruhrquelle, wo wir auf weitere Wanderer und Radfahrer treffen. Schnell kommt man ins Gespräch – das gemeinsame Freizeitziel verbindet. Doch ewig können wir nicht quatschen, wir haben ja noch einen weiten Weg vor uns: 230 Kilometer braucht das Wasser der Ruhr von der Quelle bis zur Mündung. Wir nehmen also Fahrt auf und sind gespannt, was uns erwartet.
Die Beschilderung ist, wie erwartet, gut. Das markante Zeichen des Radwegs ist schnell zu erkennen. Im Laufe der Strecke wird es an Baustellen ein, zwei Mal zu kleineren Umleitungen kommen, doch ein Blick auf das Kartenmaterial (unbedingt vorher erwerben oder downloaden, erspart viel Mühe und Sucherei!) hilft uns immer weiter. Verfahren werden wir uns auf der Strecke nicht ein einziges Mal. Heute geht es durch das malerische Sauerland fast nur bergab. An anderen Tagen mag das toll sein – uns jedoch friert es dabei so sehr, dass wir im Mai tatsächlich unsere dicken Wintersachen hervorholen: Mit zusätzlichen Strumpfhosen, Schal, Mütze und Handschuhen fährt es sich auch bergab angenehm warm. Dafür haben wir auf diesem Streckenabschnitt (noch) keinen Regen.
Unsere erste Pause legen wir im gemütlichen Rosendorf Assinghausen ein. Hier sorgen zahlreiche malerische Fachwerkhäuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert für eine historische Atmosphäre. Unbedingt Halten und Ansehen!
Auf meinem neuen Tourenrad sind die ein, zwei Anstiege gut zu bewältigen- mit Cityrädern schiebt man diese Anstiege allerdings besser. Die Abfahrten erlauben bei freier Sicht und Strecke Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 45 km/h – ein Helm ist da Pflicht!
In unserem ersten Etappenziel Olsberg gibt es diverse Hotels und Pensionen sowie eine schöne Therme (Aqua Olsberg). Auch für das Abendessen stehen uns viele Möglichkeiten offen. Als wir nach getaner Arbeit in der Therme im 32 Grad warmen Wasser entspannen, kommt dann auch der Regen – aber der ist uns herzlich egal.
So fährt es sich auf dem Ruhrtal-Radweg
Wegecharakteristik: Der Ruhrtal-Radweg führt vor allem über asphaltierte, gut ausgebaute Radwege, aber es sind auch Strecken mit Schotter und Kies dabei. Dicke Bereifung ist von Vorteil.
Zwar ist der Ruhrtalradweg (vor allem im ersten Drittel) kein Weg für Hollandräder und reine Ausflugsfahrer, aber er bietet aber für Ungeübte viele Möglichkeiten der Abkürzung. Fast in allen Orten lassen sich Unterkünfte finden, und wer wirklich nicht mehr kann, steuert den nächsten Bahnhof an und legt sein Etappenziel per Bahn zurück. Denn die Bahnstrecke ist nie wirklich weit vom Weg entfernt. Das lässt auch für Anfänger eine Menge Spielraum.
Ruhrtal-Radweg Etappe 2: Olsberg - Arnsberg
Als erstes erwartet mich nach dem Aufwachen eine Überraschung: Das Aufstehen fällt schwer, denn die Glieder schmerzen. Nanu, ich dachte, ich wäre recht trainiert – und gestern sind wir doch gar nicht viel gefahren? Offenbar bin ich nicht so sportlich wie ich dachte, und mein Körper muss sich erst an die ungewohnte Belastung gewöhnen.
Auch heute geht es bei tiefen Temperaturen durch sauerländische kleine Orte wieder ordentlich bergab, aber auch heute gibt es wieder einzelne knackige Anstiege. Die Ruhr wird währenddessen immer größer.
In Menschede pausieren wir zum Mittag in einem kleinen Imbiss. Als wir in unserem nächsten Etappenziel Arnsberg ankommen, sind wir alle recht geschafft. Dennoch arbeiten wir uns noch auf den Schlossberg des Ortes – und werden mit dem Anblick einer traumhaften Ruine in der Abendsonne belohnt.
Ruhrtal-Radweg Etappe 3: Arnsberg - Schwerte
Heute haben wir tolles Wetter, und gut gelaunt machen wir uns auf den Weg. Die ersten 40 Kilometer gehen spielend leicht, immer noch geht es fast durchgehend bergab und wir haben den Weg praktisch für uns alleine. Glücklicherweise wird es nun auch immer wärmer. Herrlich!
Weil sich die Unterkunftssuche bislang so unkompliziert gestaltet hat, machen wir einen Fehler: Wir beschließen, heute ausnahmsweise nicht schon beim Frühstück ein Hotel auszusuchen und dort anzurufen, sondern zu sehen, wie weit wir kommen, und dann spontan anzufragen.
Zwischendurch gibt es einen kleinen Unfall – ein Mitfahrer fährt mir bei Fröndenberg aus Versehen in mein Hinterrad. Es schleift! Glück im Unglück: Der nächste Radladen ist nur wenige Kilometer entfernt. Dort werden die Speichen fachgerecht nachgezogen und das Schleifen behoben. Erleichtert setze ich meinen Weg fort. Auch das ist ein Plus des Ruhrtal-Radweges: Es gibt genügend Radstationen und -Läden, die bei Notfällen schnell und unkompliziert weiterhelfen können.
Hindernisse auf dem Radweg: Karten helfen!
Auf diesem Streckenabschnitt versteckt sich die Ruhr vor uns – vielfach ist sie als Trinkwasserreservoir vor direktem Zugang geschützt. Hier wird der Fluß aber auch beliebter bei Spaziergängern, Joggern, Walkern und Erholungssuchenden jeder Art. Sie ist nicht mehr alleine „unser“ Fluss, an dem wir nach belieben Halt machen können. Und noch ein Problem erwartet uns: Eine große Baustelle behindert unsere Weiterfahrt; Schilder sind nicht zu entdecken. Anhand des Kartenmaterials fahren wir einen Umweg – und sind bald wieder auf der richtigen Strecke.
Wir schaffen es aufgrund der guten Bedingungen bis Schwerte, doch dort ist unser favorisiertes Hotel bereits ausgebucht. Die hilfreichen Angestellten rufen noch in zwei weiteren Hotels für uns an – doch auch dort ist aufgrund einer Großveranstaltung alles belegt. Was nun?
Mit Hilfe unserer Handys suchen wir weitere Unterkünfte und werden belohnt: Einige Kilometer weiter gibt es noch drei Doppelzimmer. Glück gehabt! Nun haben wir gelernt, wie wichtig es ist, die Unterkunft bereits vor der Abfahrt zu organisieren.
Dabei stellen wir fest, dass Schwerte sehr groß ist. Hier kommen wir vom malerischen Sauerland ins lebhafte Ruhrgebiet. In Schwerte vermischt sich das Ruhrgebiet aber noch mit dem Fachwerk des Sauerlandes - spannend!
Ruhrtal-Radweg Etappe 4: Schwerte - Hattingen
Am 4. Tag entdecken wir etwas, mit dem wir nicht gerechnet hätten: Es ist überraschend grün. Das Ruhrgebiet, jahrhundertelang geprägt durch Kohle und Stahl, und heute noch augenfällig durch riesige Hochhäuser an vielbefahrenen Autobahnen, ist grün! Und zwar so grün, dass man zwischen all den Wiesen, Wäldern und Feldern das Grau der Industrie bestenfalls erahnen kann.
Doch wir merken auf andere Weise, dass wir uns in einem Ballungszentrum bewegen: Viele weitere, gut ausgeschilderte Radwege gesellen sich zu unserem. Nun heißt es, nicht den Überblick zu verlieren im Radwege-Dschungel!
Heute ist uns das Wetter nicht mehr hold; es regnet über weite Strecken. Wir passen unsere Kleidung an und versuchen, den größten Schauern durch geschickt platzierte Pausen aus dem Weg zu gehen. Wir sehen uns in Wetter zunächst eine Burgruine an (und haben bei strömendem Regen eine tolle Aussicht über einen großen See) dann in Bochum die alte Zeche Nachtigall und in Stiepel schließlich ein Kleinod aus dem Mittelalter: Eine uralte Kirche, die hier die Zeiten überdauert hat. Beide Stopps lohnen sich unbedingt.
Bei dieser Etappe merke ich meine Beine nicht mehr, die sich an die Belastung gewöhnt haben, dafür fängt der sportliche Mann an zu schwächeln. Kondition ist – auch das lernen wir – bei jedem unterschiedlich. Was der eine als schwer empfindet, meistert der andere spielend.
Hattingen, das wir erst bei Dunkelheit erkunden können, ist eine tolle, gemütliche Stadt. Wir bedauern, hier nicht mehr Zeit zu verbringen.
Ruhrtal-Radweg Etappe 5: Hattingen - Essen Werden
Auf diesem Streckenabschnitt ist (im krassen Gegensatz zu der eher einsamen Idylle des Sauerlandes) die Kulturdichte so hoch, dass wir gar nicht wissen, was wir an diesem Tag zuerst machen sollen.
Wir entschließen uns deshalb, und aufgrund der erneut bescheidenen Wetteraussichten, nicht, wie geplant, nach Mülheim zu fahren, sondern nur bis Essen-Kettwig, und die gewonnene Zeit zu nutzen, um mehr zu sehen. Eine gute Entscheidung, wie sich herausstellt, denn immer wieder machen uns heftiger Gegenwind und starker Regen die ansonsten landschaftlich wunderschöne Etappe madig.
Wir halten im Eisenbahnmuseum (ein Eldorado für Freunde des Themas!) und am Baldeneysee. Außerdem wagen wir den Aufstieg zur Abtei Essen Werden, die sich leider als nicht ganz so spektakulär herausstellt wie vermutet.
Ruhrtal-Radweg Etappe 6 und Finale: Essen - Duisburg
Ein letztes Mal schwingen wir uns am Morgen auf die Räder. Nun ist es nicht mehr allzu weit bis zur Mündung des imposanten Flusses. Die Strecke fliegt nur so dahin und ist für uns nun geübte locker am Vormittag zu bewältigen. Auch hier sind wir wieder erstaunt ob dieser grünen Seite des Ruhrgebiets. Keine Spur von Grau, Dreck oder Rauch – so weit das Auge reicht, gibt es nur das saftige Grün von Weiden, Wiesen und Bäumen, unterbrochen von grasenden Kühen am Wegesrand oder einem Paddelboot auf der Ruhr. Bis nach Mülheim zieht sich das Panorama der Fachwerkhäuser. So ländlich - mitten im größten Ballungsgebiet Deutschlands. Wer hätte das gedacht?
Die Ruhrmündung beeindruckt uns dann doch durch ihre gigantische Industriekulisse auf der gegenüberliegenden Rheinseite – während wir, wie sollte es anders sein, in sattem Grün einen „Mündungsschluck“ zu uns nehmen. Gemeinsam sind wir übergekommen, und das erstaunlich gut und mit wenig Mühe. Beim anschließenden Mittagessen werden schon die nächsten Routen geplant – nun haben alle aus der Gruppe Feuer gefangen. Wir sind uns einig: Der Ruhrtal-Radweg ist eine tolle, abwechslungsreiche Tour und unbedingt zu empfehlen!
Am Wegesrand des Ruhrtal-Radwegs
Entlang der Ruhr locken zahlreiche Museen und andere Freizeitaktivitäten die Radler. Doch je nach Jahreszeit und Wochentag ist die Öffnungszeit unterschiedlich. Auch hier gilt, genau wie bei den Unterkünften: Wer sicher sein will, dass er eine Attraktion auch zu sehen bekommt, ruft am besten vor der Tour an und erkundigt sich nach den aktuellen Öffnungszeiten. Manche Orte machen Winterpause, andere sind nur an bestimmten Wochentagen geöffnet.
Vieles am Wegesrand haben wir bewusst links liegen gelassen. Man muss sich auf dieser Tour entscheiden, ob man eher Sightseeing oder eher das sportliche Erlebnis haben möchte. Für ersteres hätten wir mehr Zeit einplanen müssen, dafür wäre das zweite dann völlig zu kurz gekommen. Wir schließen einen Kompromiss: Auf der Tour ist das Radfahren unser oberstes Ziel. Wer tolle Ausflugsziele entdeckt, kann ja zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal gesondert dorthin fahren.
Unterwegs auf dem Ruhrtal-Radweg
Alle Menschen waren durchgehend sehr nett und gastfreundlich. Die Unterbringung unserer Räder war nirgendwo ein Problem.
Auch für geübte Tourenradler ist die Strecke aufgrund ihrer Anstiege nicht zu unterschätzen. Wer mehr sehen möchte, fährt am besten nur Teilstrecken oder nimmt sich mindestens eine Woche Zeit. Nicht nur im Sauerland war es landschaftlich toll, auch die grüne Seite des Ruhrgebiets hat alle Radler tief beeindruckt.