Covenant "The Blinding Dark"

Zurückhaltende Muster vor düsterem Grün, Bäume recken ihre nackten Zweige in einen dunklen Himmel: Das schlichte Artwork der neuen Covenant-Scheibe macht neugierig auf die Songs. Die Musik der Schweden hatte sich bereits auf den letzten Alben stark von den Anfängen in den 90er Jahren unterschieden. Zuletzt hatten die Elektro-Musiker mehrfach gezeigt, dass sie eher Soundtüftler, Philosophen und aktive Trendsetter ihres Genres sind als Produzenten von tanztauglichen Beats.

Der erste Höreindruck: Die Musik der Scheibe passt zum Artwork, irgendwie. Und doch wieder nicht. Zum ersten Mal hat man beim Anhören eines Covenant-Albums das Gefühl, dass man kein Machwerk aus einem Guss vorfindet, sondern einen Mix aus – ja, was eigentlich? Es fällt schwer, „The Blinding Dark“ abschließend zu beschreiben, so unterschiedlich sind die Tracks.

Kein Album aus einem Guss

Bereits der Opener überrascht. Obwohl Covenant bereits des öfteren Geräusche als Einstieg verwenden, setzen sie diesmal auf einen gänzlich ungewohnten Start. Statt eines tanzflächentauglichen Beats erwartet nicht mehr als ein anschwellender Geräuschteppich die Hörer. Bereits an dieser Stelle muss man sich das erste Mal vergewissern, dass man wirklich Covenant hört und nicht versehentlich irgendeine Ambient-Scheibe eingelegt hat. Musikalisch führt der Opener in unbestimmte Tiefen, doch dabei bleibt es nicht.

Was für ein Bruch: Bereits die ersten Takte des nachfolgenden „I Close My Eyes“ klingen unverkennbar nach den Schweden; das heißt, nach modernem, kühlen Midtempo-Elektro zum Mitnicken, bei dem Joakims Stimme in vertrauten Strukturen von verlorenen Seelen und geschlossenen Augen singt.

Das nachfolgende „Morning Star“ geht in eine ähnliche Richtung, schwebt auf flächiger Kühle elegant durch einen luftleeren Raum, während „Cold Reading“ unverkennbar in Richtung Tanzfläche schielt und als Soundtrack für eine Flucht vor, sagen wir mal, bewaffneten Undercover-Agenten, jeden Actionfilm perfekt untermalen könnte.

Das dann folgende „A Rider On A White Horse“ markiert einen neuen Bruch, ist aber als Einzelkunstwerk schlichtweg genial. Covenant inszenieren den Lee-Hazelwood-Klassiker aus den 70er Jahren als verstörendes, schwermütiges Duett, das elegant vorführt, was elektronische Musik für subtile Traurigkeit hervorrufen kann. Hier beherrschen die Schweden die Klaviatur der Dunkelheit in gänzlich neuer, bewundernswerter Perfektion. Sie bedienen sich dazu einer aus ihrer Richtung bisher noch nicht gehörten Musik - und leider bleibt es auch bei diesem kurzen Zwischenspiel.

Die kurzen Interludes I und II ziehen zwischen diesen Tracks noch weiter hinab in die unergründlichen Tiefen des Openers; irritieren beim Hören, lassen ratlos zurück. „Dies Irae“ ist dann zwar ein lateinisch-klassischer Titel, aber die flächigen, hallenden Elektronik-Sounds dieses Songs zelebrieren die Tage des Zorns auf eine sehr moderne Weise. „If I Give You My Soul“ schließt daran an – wieder technoid, kühl, postapokalyptisch und fast tanzbar.

„Summon your Spirit“ zelebriert dann den letzten Bruch auf "The Blinding Dark": Ganz ohne Gesang hinterlässt der Ambient- Track mit seinen archaisch anmutenden Trommelrhythmen einen verstörenden Eindruck.

Verschwendung von Potential

Das Album ist bestimmt nicht schlecht - im Gegenteil: Covenant haben noch nie so deutlich gezeigt, das jenseits dunkler, elegant-elektronischer Tanzmusik etwas anderes, größeres, dunkleres lauert. Noch nie haben sie so starke Brüche eingesetzt und noch nie Songs solcher Hoffnungslosigkeit produziert. Vielleicht ist dieses Album die akustische Antwort auf die Frage, wie wir mit den mannigfaltigen Problemen unserer Tage umgehen sollen. Da reicht eine eindimensionale Antwort nicht mehr aus. Ein Puzzle aus Musikteilen, die keine Einheit ergeben wollen, gleich, wie man sie dreht und wendet, lässt allerdings unbefriedigt und ratlos zurück.

 

Für die Zukunft wünsche ich Covenant darum ein ganzes Album voller elektronischer Lee-Hazelwood-Variationen, das läuft dann in Dauerschleife bei mir, während ich düstere Gedichte schreibe. Die vertrackten, kühlen Songs ergäben ein tolles zweites Album für diese Tage, in denen man nachdenklich auf dem Bett liegt oder durch die Straßen fährt. Und die Ambient-Tracks wären auf einem dritten Album für die sehr nachdenklichen Momente im Leben gut aufgehoben. Momentan finden sich diese drei Alben alle auf „The Blinding Dark“, komprimiert in elf viel zu kurze Songs. Leute, das ist wirklich eine Verschwendung von Potential. So clever und cool die einzelnen Songs seien mögen, ein Album sollte mehr sein als eine Ansammlung von Einzelteilen.

Kaufen?

"The Blinding Dark" ist in vier verschiedenen Versionen erhältlich: Neben CD- und Vinyl-Ausgaben veröffentlicht das Label Dependent ein 2CD-Artbook und für die Sammler gibt es ein limitiertes "Complete Boxset" mit Vinyl und 2CD-Buch sowie Zusatzmaterial. Ob man die einzelnen Songs auch irgendwo im Netz separat erstehen kann,  habe ich nicht recherchiert. Hier könnte sich das jedenfalls lohnen.

Apropos lohnen: Das 2CD-Artbook kommt mit großformatigem Booklet und zusätzlicher Ambient-CD, die im schwedischen Wald (!) aufgenommen wurde. Für alle, die noch ein Schäufelchen mehr Endzeitstimmung vertragen können, ist das sicherlich die richtige Wahl.