Nina C. Hasse: "Ersticktes Matt"

Nina C. Hasse: Ersticktes Matt. Ein Steampunk-Krimi aus den Floodlands
Nina C. Hasse: Ersticktes Matt. Ein Steampunk-Krimi aus den Floodlands.

Ein "Ersticktes Matt" ist eine Spielsituation im Schach, bei der sich der König so von seinem eigenen Hofstaat umzingelt sieht, dass er sich nur noch geschlagen geben kann. Das ist nicht nur für Kenner des Schachspiels eine interessante Konstellation, sondern auch ein gelungenes Bild für gesellschaftliche Zustände. 

Mit dieser Doppeldeutung spielt die Münsteraner Autorin Nina C. Hasse in ihrem ersten und bereits vielfach hochgelobten Steampunk-Krimi, der seit letztem Sommer via Amazon als Taschenbuch und digitale Ausgabe erhältlich ist.

Und darum geht's: Am Ende eines 19. Jahrhunderts, das parallel zur tatsächlichen Weltgeschichte eine vorgezogene Klimakatastrophe erlebt hat, wohnt und arbeitet Remy Lafayette, selbstständiger Gesichtsanalytiker, in New York. Die Stadt ist so, wie man sie aus Historienfilmen kennt: Anmut und Armut liegen dicht beieinaner, Stolz und Vorurteile bestimmen vielfach die Geschicke seiner Bewohner. Während die ärmsten Einwanderer in den Floodlands hausen, einem auf Holzsteelen errichteten Elensviertel auf dem Wasser, vergnügen sich die Bessergestellten beim Schachspiel gegen mechanische Automaten, tauschen Nachrichten per Rohrpost aus oder reisen schnell und komfortabel mit Unterseebooten durch die Meere.

Von Mutigen Menschen und Mächtigen Maschinen

Es ist nicht ungewöhnlich, dass in diesen Zeiten und in dieser Stadt ein Mord passiert, aber die Umstände lassen aufhorchen: Eine junge Frau wird in ihrem Haus in den Floodlands tot aufgefunden. In der Hand hält sie eine Schachfigur, neben ihr ist ein Schachspiel aufgebaut. Die Frau wurde mit einem Halstuch erstickt. Die Polizei weiß nicht weiter und beauftragt Remy Lafayette, sich die Leiche anzusehen, um aus seiner Gesichtsanalyse neue Hinweise zu erhalten. Bei der Arbeit stößt der sympathische, aber nicht immer kluge Lafayette auf alte Bekannte und jede Menge Ungereimtheiten. Mit seiner Polizeikollegin zerstreitet er sich direkt beim ersten Treffen, seine Mitbewohner gehen ihm gehörig auf die Nerven und ein vorlauter Papagei wird zu seinem neuen Weggefährten. Was möchte der Mörder ihm mit dem Schachsiel sagen? Zu allem Überfluss taucht unverhofft auch noch Remys ehemalige Verlobte in New York auf. Als weitere Schachbrett-Morde geschehen, findet er sich plötzlich mittendrin in einer rasanten Verbrecherjagd, die er in ihrem ganzen Ausmaß weder steuern noch vorsehen kann ...

Spannende Steampunk-Atmosphäre

Steampunk und Krimi - das ist eine Kombination, die neugierig macht, bietet sie doch nahezu grenzenlose Möglichkeiten für Technik-Verliebte, Blutgierige und Futurismusfans. Bei Hasse überwiegt der Krimi-Plot eindeutig, dessen Story solide aufgebaut ist und erfreulich lange undurchsichtig bleibt. Das Steampunk-Szenario sorgt im Hintergrund für atmosphärische Details. Der wirkliche Schwerpunkt des Buches liegt jedoch auf den Figuren. Zuerst mag die Vielzahl an Haupt- und Nebenfiguren, die nach und nach eingeführt werden, etwas verwirren. Aber im Laufe der Handlung erfährt man nicht nur mehr über den Protagonisten, sondern auch über viele der liebevoll gezeichneten Nebenfiguren. Und das ist die eigentliche Stärke des Buches: "Ersticktes Matt" erzählt vordergründig eine Krimi-Geschichte, aber zugleich auch viele kleinere Geschichten aus den unterschiedlichsten Perspektiven. Beim Lesen enthüllen sich nach und nach neue Details zu allen Handelnden und ihren Motiven. Neben dem Krimiplot sorgen diese für jede Menge Lesevergnügen. Am Ende steht ein Showdown, der es in sich hat und die vage Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

"Ersticktes Matt" ist nicht nur für Steampunk-Fans eine lohnenswerte Lektüre. Auch Menschen, die generell einfach gerne Krimis schmökern, kommen hier voll auf ihre Kosten. Am Ende bleibt nur ein Rätsel ungelöst: Warum hat diese Autorin eigentlich noch keiner der großen Verlage unter Vertrag genommen?