Im sechsten Fall für die Detektei Strike & Ellacott tauchen die beiden Londoner Privatdetektive in die Welt der Jugend- und Internetkultur ein, und das auf über 1.300 Seiten. Dicke Schmöker waren die Krimis von J.K. Rowling alias Robert Galbraith schon seit dem ersten Band, aber der neueste Streich setzt seitenmäßig noch mal eine Portion oben drauf. Wer Lust hat, richtig tief in Internet-Chats, Fandom und alternative Lebensentwürfe einzutauchen, der ist hier richtig. Wie auch schon in den Vorgängerbänden setzt Rowling weniger auf Spannung als auf das gründliche Ausleuchten einer toxischen Umgebung.
In „Das tiefschwarze Herz“ geht es um die gleichnamige Animationsserie, die, von zwei Kunststudierenden auf Youtube ins Leben gerufen, sich zum Überraschungserfolg entwickelte. Mit dem Einsetzen der Romanhandlung ist die Serie im Jahr 2015 kurz davor, eine Realverfilmung auf Netflix zu erhalten, was die ohnehin tief gespaltene Fangemeinde weiter aufwühlt. Parallelen zu Rowlings eigenen Twitter-Erfahrungen lassen sich allerdings nur begrenzt ziehen, auch wenn manche Rezension davon ausgeht, dass sie das nach wie vor hochaktuelle Thema auch aus privatem Interesse aufgegriffen hat.
Es geht um Online-Hater, Stalker und Trolle
Die Co-Macherin von „Das tiefschwarze Herz“, Edie Ledwell, kommt scheinbar verwirrt und verwahrlost in das Büro der Detektei und bittet um Hilfe: Seit einiger Zeit wird sie online von einem Fan namens Anomie terrorisiert. Sie ist sichtlich fertig und möchte, dass Cormoran Strike und Robin Ellacott die Identität des Fans klären, damit er zur Verantwortung gezogen werden kann. Doch das ist leichter gesagt als getan: Robin und Corm stecken bis zum Hals in anderen Fällen, und keiner von beiden kennt sich mit Cyberkriminalität aus. Obwohl Robin die junge Frau leid tut, schickt sie sie darum wieder fort – und macht sich schon ein paar Tage später große Vorwürfe, als in den Medien davon berichtet wird, dass Edie Ledwell ermordet wurde. Erneut werden die beiden Detektive darum gebeten, den Nutzer Anomie zu identifizieren, weil er nun auch noch unter Mordverdacht steht, und diesmal sagen die beiden zu.
Solider englischer Krimi mit viel Atmosphäre
Neben den üblichen Zeugenbefragungen schlüpft Robin im Laufe der Handlung in verschiedene Schein-Identitäten, während Strike mehr und mehr mit seinem amputierten Bein und einer neuen Beziehung zu kämpfen hat. Die gegenseitige Anziehung der beiden unterschiedlichen Charaktere nimmt noch zu und wird von beiden, wenig überraschend, einfach umso stärker geleugnet. Und natürlich passieren auch im privaten Umfeld der beiden wieder Überraschungen, was das Buch zusätzlich lesenswert macht. Die seitenweisen Chatprotokolle anonymer Internetnutzer kann man hingegen zur Verstärkung der Atmosphäre lesen, muss man aber nicht. Am Ende zählt zum Miträtseln ja nur, was auch Strike und Ellacott wissen. Wie immer ist der Schuldige schlussendlich jemand, der zwar die ganze Zeit über präsent war, dem aber niemand viel Beachtung schenkte.
Insgesamt ist „Das tiefschwarze Herz“ ein solider Whodunnit-Krimi, der ebenso durchkomponiert wie seine Vorgänger daherkommt und vor allem mit Atmosphäre punktet. Wer Schmöker und englische Krimis mag, wird auch an diesem neuen Band von Robert Galbraith schwerlich vorbeikommen.
Das Hörbuch wird, wie auch schon die Vorgängerbände, von Dietmar Wunder gelesen, dem jedoch vor allem zu Anfang einige Aussprache-Fehler unterlaufen. Sehr gelungen ist hingegen seine Wiedergabe der Chatprotokolle. Analog zum Buch hat auch das Hörbuch einen epischen Umfang: 1980 Minuten Hörzeit müssen investiert werden, um herauszubekommen, wer Edie Ladwell umbrachte.
Aber es ist ja Herbst – und was könnte schöner sein, als es sich mit einem (Hörbuch-)Schmöker und einem Tee drinnen gemütlich zu machen, wenn es draußen regnet und stürmt?
Robert Galbraith: Das tiefschwarze Herz. Ein Fall für Cormoran Strike. Blanvalet Verlag 2022
ISBN 978 3 7645 08 173, gebunden, 1.360 Seiten, 26 €.
Das Hörbuch kostet ca. 20 €.
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