Oliver Hübner: Lost & Dark Places Münsterland

Die "Lost & Dark Places"-Reihe des Bruckmann-Verlages hat in diesem Jahr erfreulich viel Zuwachs bekommen. Für die einzelnen Bände zeichnen sich jeweils unterschiedliche Autoren verantwortlich. Oliver Hübner, der auch bereits zwei weitere entsprechende Titel verfasst hat, machte sich im sauberen und aufgeräumten Münsterland auf die Suche nach Lost and Dark Places. Für NRW Alternativ ist sein Buch das zweite, das nach Köln hier vorgestellt wird.

 

Münsterländer dürften sich ob des Buchtitels allerdings verwundert die Augen reiben und fragen: Bei uns gibt es verlassene und verfallene Orte? Tatsächlich:  Hübner präsentiert 33 Ruinen, Altbauten und Sagenorte.

Nicht einfach: Lost-Place-Suche im Münsterland

Es ist eine schwierige Aufgabe: Das Münsterland ist bei (Fahrrad)-touristen beliebt wegen seiner flachen Wege, den historischen Stadtkernen und zahlreichen Wasserburgen. Hier sitzen - zumindest dem Klischee nach - eine Menge reiche Kaufleute und Schweinebauern. Alles ist  sauber und ordentlich, selbst die Feldränder werden regelmäßig getrimmt. Alte Burgruinen oder Industriebrachen sucht man zumindest beim Vorüberfahren hier vergebens. Das Münsterland ist definitiv nicht die erste Adresse für Lost-Place-Liebhaber.

Verlassen oder nicht?

Der entsprechende Reihen-Titel aus dem Bruckmann-Verlag sieht die Sache mit dem "Lost" aber ohnehin nicht so eng und nimmt auch "Dark Places", also Orte mit einer dunklen Geschichte, in seine Bücher auf. Das sogenannte Mordkreuz in den Baumbergen ist ein solcher Ort: Kein Gebäude an sich, aber steinerne Erinnerungskultur an eine Bluttat, die schon vor hunderten von Jahren begangen wurde. Folgerichtig wird das Kreuz im Buch auch vorgestellt. Beim Durchblättern fällt auf, dass es doch einige verlassene Gebäude im Münsterland gibt. Denn einige der beschriebenen Lost Places haben alle, die regelmäßig im Münsterland unterwegs sind, bestimmt schon einmal gesehen: Die aufgegebene Tankstelle vor Telgte liegt direkt an einer großen Zufahrtsstraße, und der Baumberger Hof, ein ehemaliges Mutter-Kind-Heim, an einer belebten Straßenkreuzung.

Andere vorgestellte Orte sind nicht so verlassen wie der Autor sie darstellt: So wird der Gasometer in Münster schon seit längerer Zeit von einem Kulturkollektiv bespielt, und Hübner schreibt selbst, dass zwei vorgestellte ehemalige Militärgelände neue Eigner haben. Damit sind diese Orte aber leider auch keine Lost Places mehr - sie befinden sich ja noch in einer Nutzung.

Interessant ist, was der Autor zum Hintergrund der einzelnen Lost Places herausfinden konnte. Baugrund im Münsterland ist nämlich teuer. Einige Lost Places würden die Städte und Gemeinden, auf deren Grund sie stehen, gerne abreißen oder einer anderen Nutzung zukommen lassen. Doch auf Privatgrundstücken hat die öffentliche Hand keine Rechte, und bei ungeklärten Besitzverhältnissen oder Pleiten der besitzenden Firmen sind den Orten oft die Hände gebunden.

In "Lost & Dark Places Münsterland" finden sich auch Tipps, die Münsterland-Besuchende eher nicht kennen: Die wunderschönen alten Grabmale auf dem städtischen Friedhof in Münsterdürfen ebenso als Geheimtipp gelten wie die verlassene Kapelle bei Warendorf, die alte Zeche in Ahlen oder der Hofbunker bei Horstmar.

Einige der vorgestellten Lost Places sind allerdings so verloren, dass es heute buchstäblich nichts mehr zu sehen gibt, wie die einstige Turmburg bei Schloss Nordkirchen oder die wenigen restlichen Steine der Ascheburg. Brauchen solche Nicht-Orte tatsächlich mehrseitige Einträge?

Das Buch bietet eine Vielfalt an Lost und Dark Places, die im sauberen Münsterland tatsächlich erstaunt. Da gibt es Orte für jeden Geschmack! Alle 33 Orte werden mit Adresse, GPS-Koordinaten und Informationen zur Anreise ausführlich vorgestellt.

Bilder der Lost Places nicht romantisch, sondern dokumentarisch

Die Bilder sind, ähnlich wie im Band der Reihe über Köln, eher von dokumentarischem als von romantischem Charakter. Dabei zeigen die beiden Fotos des Einbandes doch, dass es bei der Herstellung des Buches offenbar Menschen gibt, die mit Foto-Filtern umzugehen wissen und den Fotos eine düstere Atmosphäre angedeihen lassen können. Warum man diese Technik nicht auch bei den Bildern des Innenteils angewendet hat, bleibt unklar.

Das Buch inspiriert in jedem Fall dazu, bei der nächsten (Rad-)Tour durch das beschauliche Münsterland einfach mal die Augen aufzuhalten. Nicht immer nur das schöne, restaurierte Gebäude wahrzunehmen, sondern auch das daneben, das offensichtlich seit Jahren schon niemand mehr nutzt, und sich zu fragen: Was mag dort einst gewesen sein?

Und wenn es auch nicht empfehlenswert ist, abgesperrte oder verlassene Gebäude zu betreten, wie der Autor eingangs schildert, so kann man vielleicht einen Blick durch verstaubte Fenster oder Zäune werfen und Relikte einer alten Zeit erblicken, die so schon lange nicht mehr existiert ...


Oliver Hübner: Lost & Dark Places Münsterland. 33 vergessene, verlassene und unheimliche Orte. Bruckmann-Verlag 2023, 160 Seiten, 22,99 €

Mehr Infos zum Buch und Bestellmöglichkeit auf der Verlagswebseite.


Transparenzhinweis: Die Autorin dieser Rezension hat selbst ein Buch über historische dunkle Orte im Münsterland geschrieben. Mehr Infos zum Buch auf ihrer Autorenseite: Von Geistern, Gespenstern und Gruselgestalten. Düstere Sagen und Legenden aus dem Münsterland.


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