Über das lange Osterwochenende fand in Bad Iburg (in Niedersachsen, ganz in der Nähe NRWs) das traditionelle Osterspektakel statt. Bei freiem Eintritt konnten Besuchende im Kurpark, mit Blick auf die Burg, Rittern beim Kämpfen zusehen, ins Lagerleben eintauchen und Musikanten lauschen. Ein Besuch, der uns auch dazu einlud, sich über Mittelaltermärkte allgemein Gedanken zu machen.
Leider spielte das Wetter, wie so häufig über Ostern, nur am Sonntag mit: Der Karsamstag war verregnet, und Ostersonntag abends sowie Ostermontag fegten Sturmböen und Gewitter über das Gelände hinweg. Aber am Ostersonntag bescherte zunächst strahlender Sonnenschein dem Osterspektakel jede Menge Besuchende von nah (Nordrhein-Westfalen und Osnabrück) und fern (Holland), die sich freuten, bei angenehmen Temperaturen über das idyllische Gelände zu bummeln. Kein Wunder, dass der kostenpflichtige Parkplatz gleich neben dem Gelände schon bald voll belegt war und sich der Verkehr dorthin zeitweise staute. Es gab allerdings genügend kostenfreie Parkplätze, von denen aus der Kurpark nur kurzen Spaziergang entfernt lag.
Bad Iburg ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht ganz so komfortabel zu erreichen, zumindest nicht von NRW aus - da macht sich die Grenze der Bundesländer tatsächlich bemerkbar. Vom Osnabrücker Hauptbahnhof aus fahren auch an Sonn- und Feiertagen regelmäßig Busse nach Bad Iburg, der Zeitaufwand ist allerdings deutlich höher als mit dem Auto.
Abwechslungsreiches Markttreiben
War man einmal auf dem Gelände angekommen, gab es viel zu sehen: Kleine und große Lagergruppen von den Wikingern bis hin zum Spätmittelalter, Händler und Handwerker, Spielleute, Kampfvorführungen sowie Essen und Getränke für jeden Geschmack und Geldbeutel. Allerdings war diese Vielfalt, die man in der Gegend oft auf mittelalterlichen Märkten sieht, auch ein Manko des Marktes: Mehr als einmal doppelten sich Angebote oder waren Handelnde kaum als mittelalterlich zu erkennen.
Ist doch nicht schlimm, sagen manche, Hauptsache, es passt zum Ambiente. Ja, aber wenn noch nicht mal das gegeben ist, sondern Handelnde in Alltagskleidung in Plastikzelten Selbstgestricktes verkaufen, dann stellt sich die Frage, ob das Konzept des Mittelaltermarktes überhaupt noch trägt. Das gilt nicht nur für den Markt in Bad Iburg, das gilt für viele mittelalterliche Veranstaltungen.
Kämpfe in voller Rüstung
Die Kampfvorführung war eine spannende Sache: Es gab Buhurtkämpfe zu sehen - das ist ein Kampfstil in voller spätmittelalterlicher Rüstung, bei dem die Kontrahenten versuchen, sich gegenseitig niederzuringen. Allerdings war der Kommentator - auch er überhaupt nicht erkennbar mittelalterlich gekleidet - kaum zu verstehen und die wenigen Kommentare, die er zum Geschehen abgab, für Laien größtenteils unverständlich. Kein Wunder, dass sich schon nach wenigen Kampfrunden die meisten Zuschauenden abgewandt hatten.
Der intensive Buhurt-Kampf verlangt nach einer besonders festen Absperrung, die sehr schön durch mannshohe Holzbalken sichergestellt wurde. Leider waren diese Holzbalken mit Baumarkt-Spanngurten in Signalfarben gesichert. Natürlich ist es wichtig, sich an der Stelle nicht nur auf ein geknotetes Hanfseil zu verlassen, aber wie leicht hätte man die auffälligen Gurte mit etwas Leinenstoff abdecken können! Das schien allerdings niemanden von den Teilnehmenden zu stören.
Einzelne Lager, vor allem aus dem Wikinger-Bereich, boten eine sehr schöne Darstellung, während andere erkennbar keine bestimmte Epoche ausgewählt oder sogar im Hier und Jetzt verhaftet blieben. Gartenlaternchen mit Aluminium-Teelichtern sind eben genauso eindeutig als modern zu erkennen wie Schoko-Osterhasen. Solche unüberlegten Details können jegliche Illusion einer anderen Zeit sehr schnell zunichte machen. Wer in Alltagskleidung auf einem Mittelaltermarkt mit Plastikpois spielt, ist deshalb noch nicht mittelalterlich. Gleiches gilt auch für ein Ork(!)-Lager - das Fantasyoutfit ist zwar beeindruckend anzuschauen, hat aber natürlich mit dem Mittelalter rein gar nichts zu tun. Wären die Orks plündernd und marodierend durch die Lager gezogen, hätte das sicher noch für einige Lacher gesorgt, aber die Orks in Bad Iburg saßen brav im Lager und baten lediglich um Spenden für Fotos.
Natürlich ist jeder Mittelaltermarkt ein Kompromiss zwischen zwei Ansprüchen, nämlich dem Anspruch nach Historizität auf der einen oder dem Anspruch nach modernem Komfort auf der anderen Seite. Richtig "mittelalterlich" waren mittelalterliche Märkte noch nie, und das aus vielen guten Gründen. Einige Menschen beklagen dennoch seit Jahren das nachlassende Niveau auf Mittelaltermärkten. Vielleicht haben sie recht. Ein Beispiel dafür könnte auch der Markt in Bad Iburg sein, wie ein Vergleich von zwei Videos zeigt. Die Neue Osnabrücker Zeitung war sowohl 2024 als auch acht Jahre zuvor auf dem Markt. Hier das Video von 2016:
Zunächst sind Spielleute zu sehen, die zwar ein modernes Lied zum Besten geben, aber sie sind mit ihrer Kleidung eindeutig als mittelalterlich zu identifizieren. Auch die Darstellung im Hintergrund ist klar (spät)mittelalterlich. Dazu gibt es nette Details, die auf ein Grundverständnis der Epoche schließen lassen wie die "Königliche Bogenbahn" - denn Jagen war ein Privileg des Adels. Erklärschilder, die zwar zum Wetterschutz nach heutigem Standard in Plastik verpackt, aber mittelaltertypisch auf Holz genagelt wurden, ein Karren aus Holz, der keinerlei moderne Elemente aufweist, und Stroh, das Schlammlöcher füllt. Wir sehen außerdem einen Ritter in Rüstung, der bei einem Handwerker etwas anfertigen lässt - ganz ohne Plastik oder moderne Gerätschaften. Auch wenn die Kamera in die Menge hält, sind Mittelalter-Darsteller deutlich von zivilen Besuchern zu unterscheiden. Vielleicht ist das Zufall. Aber das Video vom gleichen Markt 2024 zeigt andere Bilder:
Direkt zu Beginn wie auch zum Ende sehen wir eine Poi-Spielerin in Zivilkleidung und Turnschuhen. Der Schmied arbeitet in Handschuhen aus dem Baumarkt, die sich sicherlich zumindest ambientig hätten färben lassen. Dazu passt, dass hier der Ork im Mittelpunkt steht, während im Hintergrund Anhänger mit Plastikplanen und immer wieder Laternchen und andere Dinge aus Geschenkartikelläden und Baumärkten zu sehen sind.
Muss das sein? Wäre es wirklich nicht möglich, mit dem Einsatz von Stoff, ein wenig Zeit und Phantasie zumindest die Illusion einer anderen Zeit zu erwecken? Oder ist das (heute) auf mittelalterlichen Märkten überhaupt nicht mehr gewünscht?
Natürlich spielen Faktoren wie Bezahlbarkeit, verfügbare Zeit und die Grenzen der individuellen Vorstellungskraft immer eine Rolle. Natürlich betreiben viele Darstellende das Mittelalter als Hobby, und natürlich darf man da vielleicht nicht allzu kritisch hinschauen, gerade nicht bei Märkten ohne Eintritt. Dennoch wäre es schön, wenn den Besuchenden tatsächlich die Gelegenheit gegeben würde, in die Illusion einer gänzlich fremden Welt abzutauchen - zumindest kurz.