
Anfang des Monats veröffentlichten die Paganfolker von Faun ihr mittlerweile 12. Studioalbum. Auf dem Album ist der Name Programm: Hex beschäftigt sich thematisch mit weisen Frauen, altem Wissen und den Kräften der Natur. Dabei geht es glücklicherweise nicht nur um die böse Hexe aus den Märchen, sondern kulturübergreifend um Aspekte von weiblicher Magie. Neben der Thematik macht auch das Albumcover Lust auf's Reinhören: Düster und unscharf sieht es aus und lässt zusammen mit dem kurzen Titel jede Menge Raum für eigene Assoziationen.
Das ist nicht selbstverständlich, denn vor gar nicht so langer Zeit lieferten Faun noch jede Menge musikalischer und textlicher Klischees. Um tiefer auf dieses neue Album zu blicken, schadet ein wenig Kontext nicht – zumindest für alle, die den Werdegang der Band von ihren Anfangstagen an nicht mitverfolgt haben.
Ein Blick in die Bandgeschichte
Werfen wir also einen kurzen Blick zurück: Bereits 1999 gründete Oliver Pade mit Birgit Muggenthaler (heute vor allem bekannt durch Schandmaul) und Werner Schwab die Band Faun. Dabei war das Ziel von Anfang an, nicht nur romantisch- mittelalterliche Folkmusik mit einer Botschaft zu verbinden, sondern auch kommerziell erfolgreich zu sein. Dafür bewegte sich die Musik schon immer auf dem schmalen Grat zwischen Kitsch und Romantik, zwischen ernsthafter Auseinandersetzung und oberflächlicher Aneignung. Ab dem zweiten Album gesellte sich zu dem akustischen Instrumentarium von Sackpfeifen, Nyckelharpa und Harfe die elektronischen Rhythmen von Niel Mytra, der die Band bis heute an elektronischen Klangerzeugern unterstützt. Die Mischung war und ist nicht neu, aber bewährt. So ist es kein Wunder, dass der kommerzielle Erfolg fast augenblicklich gelang: Obwohl Oliver Pade, der bis heute das Gesicht der Band nach Außen repräsentiert, zahlreiche Besetzungswechsel meistern musste, wuchs der Bekanntheits- und Professionalisierungsgrad von Album zu Album. Ein gewisses verträumtes Klangbild mit alten Instrumenten und elektronischen Komponenten wurde zum Markenzeichen der Band, und interkulturelle Einflüsse – seltene Klangerzeuger aus fernen Kulturkreisen, Gesang in alten und fremden Sprachen – waren stets Teil der Musik. Zusammen mit der niederländischen Band Omnia beanspruchten sie das noch junge Genre Pagan Folk gänzlich für sich. Auf dem bislang unübertroffenem Album „Eden“ (2011), das sich mit den verschiedenen Paradies-Vorstellungen in unterschiedlichen Kulturen auseinandersetzte, erreichte dieses Konzept seinen vorläufigen künstlerischen Höhepunkt.
Vom Independent-Folk-Act zur Volksmusik
Dann jedoch wechselte Faun von einem Independent-Label mit sehr hohen Freiheitsgraden zum Major-Label Universal Music. Das nächste Album, „Von den Elben“, spaltete alte und neue Fans, denn Universal sah Faun – sicherlich nicht ganz zu unrecht – in der Sparte, in der sie auch Volksmusik und Artverwandtes, wie die Band Santiano, vermarktete. Natürlich steckt in Volksmusik auch heute noch das größte finanzielle Potenzial, und Faun gelang mit dem Labelwechsel der absolute Durchbruch – Fernsehwerbung, Top-Charts-Platzierungen, ein Gastspiel im Vorentscheid für den Eurovision Song Contest und ein Auftritt bei Carmen Nebel inklusive.
Der Preis dafür war die Reduzierung der Musik auf eindimensionale deutsche Texte und tanz- bzw. mitklatschbare Rhythmen. Zahlreiche alte Fans wandten sich enttäuscht ab, aber neue kamen in Scharen, vor allem aus der Pop- und Volksmusik. Es folgten vier weitere Alben bei Universal, die den eingeschlagenen Weg mehr oder weniger konsequent fortsetzten. Doch zuletzt schien es, als würden die Bandmitglieder des ewig Weichgespülten zunehmend leid. So findet sich auf dem letzten Universal-Album namens „Mitgard“ beispielsweise neben dem schlagertauglichen „Federkleid“ oder dem seichten „Lange Schatten“ ein erstaunlich mystischer Track namens „Odin“, dem Einar Selvik von Wardruna seinen Stempel aufdrückte. 2022 erschien dann konsequenterweise mit „Pagan“ das erste Album auf dem eigenen Label „Pagan Folk Records“. Der erneute Labelwechsel brachte auch musikalisch einen Umschwung - jedenfalls fast: „Pagan“ war, trotz des überwiegenden Festhaltens an deutschen Texten, experimenteller, düsterer und erdiger als die Universal-Alben. Das dunkle Albumcover machte deutlich, dass die Band die Zäsur auch farblich Außen tragen wollte. Songs wie „Galdra“ hatten nach wie vor Ohrwurm-Potenzial, wiesen aber bereits metaphorische Textelemente auf – etwas, was man im kitschigen Schlager durchweg vergeblich sucht. In Zusammenarbeit mit Eluveitie entstand mit „Gwydion“ außerdem ein zum Ende hin erstaunlich harter und atmosphärischer Titel, und der über das Album hinweg immer wieder eingesetzte chorische Gesang und die Trommeln unterstrichen die mystische Atmosphäre. Gleichzeitig wurde durch die nach wie vor einfachen Arrangements wie in „Halloween“, „Liam“ oder „Tamlin“ deutlich, dass auch die neuen Fans mitgenommen werden sollten – was dazu führte, dass der eine Teil des Albums vor allem von neuen, der andere eher von älteren Fans goutiert wurde, wobei „Pagan“ eigentlich keine der beiden Fraktionen richtig zufriedenstellen konnte.
"Hex" als Rückbesinnung auf die musikalischen Wurzeln?
Nun, im 26. Jahr des Bestehens der Band, also das 12. Studioalbum - als endgültige Rückbesinnung auf die eigenen musikalischen Wurzeln? Die Frage lässt sich ganz klar mit „Jein“ beantworten. Die Ansätze sind auf jeden Fall vorhanden: Lieder wie „Nimue“ – bei dem niemand geringeres als Chelsea Wolfe mit von der Partie ist – erinnern klar an die Musik vor der Universal-Zeit. Alte Instrumente dominieren die meisten der Songs, die in verschiedenen Sprachen vertonten Lieder sind insgesamt wesentlich getragener und düsterer als vergleichbare Titel auf den vorherigen Alben. Trommeln, Chorgesang und das Mischen verschiedener Gesangsspuren sorgt an vielen Stellen zusätzlich für Atmosphäre.
Dennoch wird auf „Hex“ eine Menge Potenzial verschenkt. Zum einen passt die Musik nur bedingt zum mystischen Cover. Gleich das einleitende „Belladonna“ ist viel zu fröhlich für jeden ernstgemeinten Mystizismus, und Lieder wie „Ylfa Spere“ verbreiten geradezu Feierstimmung. Die Songstrukturen sind nach wie vor sehr klar, echte Brüche oder instrumentelle Parts gibt es kaum, der Gesang setzt meist unmittelbar ein. Dafür ist die Produktion insgesamt erfreulich erdig, die Stimmen größtenteils gedämpft, an einzelnen Stellen kommen untermalende Geräusche hinzu und klassische Pop- oder Volksmusikstrukturen fehlen fast völlig - obwohl einige Songs noch immer bewusst einfach gehalten zu sein scheinen. Aber selbst diese einfacheren Lieder wie „Lady Isobel“ oder „Alfar“ erinnern glücklicherweise eher an das Album „Buch der Balladen“ von 2009 als an die Stücke eines volksmusikorientierten Albums wie „Von den Elben“. Lieder wie „Hare Spell“ und „Umay“ weisen erfreulich viele Gemeinsamkeiten zu den Tracks von „Eden“ auf.
Besonders deutlich wird der qualitative Sprung von „Hex“ zu den Universal-Titeln beim vergleichenden Hören: Der Unterschied zwischen Liedern wie dem mystischen „Lament“ oder dem oben bereits erwähnten „Nimue“ mit den Singles der Universal-Zeit, beispielsweise „Federkleid“, „Tanz mit mir“ oder „Aschenbrödel“, ist so eklatant, dass man meinen könnte, man höre zwei unterschiedliche Bands. (Letzteres ist sicherlich zumindest teilweise wahr, denn zu der Arbeit mit einem Major-Label gehört im Regelfall die Tatsache, dass Songs nicht mehr selbst geschrieben, sondern von einem entsprechenden Team produziert werden.)
Das heißt, „Hex“ ist ein Album, das genau wie der Vorgänger „Pagan“, vielleicht nicht als Ganzes überzeugt, dabei aber doch viele überzeugende Elemente aufweist. Wer das Album durchhört, wird naturgemäß einige Songs mehr mögen als andere. Aber „Hex“ ist auf jeden Fall das erste Faun-Album seit 2011 überhaupt, das als Solches hörbar ist und keine volkstümelnden Peinlichkeiten mehr aufweist.
Insgesamt gelungenes Mittelalter-Folk-Album voller Romantik
Aber reicht diese Art der musikalischen Besinnung für die Rückkehr in die Pagan-Folk-Szene, die sich zwischenzeitlich klar in Richtung Rauhheit und Komplexität weiterentwickelt hat? Zuletzt feierten Künstler:innen mit ähnlichen Konzepten - wie Heilung, die oben bereits erwähnte Chelsea Wolfe, Wardruna, Eivor, Myrkur und andere - mit noch viel weitgehender Reduzierung, großer Experimentierfreude und einer absoluten Konzentration auf Atmosphäre innerhalb und außerhalb der Szene große Erfolge. Bis zu diesen Erfolgen ist es auch für die neuen alten Faune noch ein weiter Weg. Dennoch haben sie mit „Hex“ den Weg zurück zum Pagan-Folk nicht nur eingeschlagen, sondern sind auch bereits ein gutes Stück davon gegangen. Das nächste Album, das hoffentlich noch experimenteller und atmosphärischer ausfällt, könnte endgültig den Sprung in die Sphären des aktuellen Pagan-Folk schaffen und darf darum mit Spannung erwartet werden. Und bis es soweit ist, erfreuen sich Menschen, die freundlich-romantischen Mittelalterfolk mögen, einfach an „Hex“.
Faun: "Hex". Erschienen im September 2025
12 Tracks, Gesamtspielzeit ca. 54 Minuten.
Das Album ist als Stream auf allen großen Plattformen verfügbar.
Wer die Band unterstützen möchte, kauft den Tonträger als Earbook, LP oder CD in physischer Form, am besten im bandeigenen Shop.
Die Tour zum Album startet Anfang Oktober, wobei Nordrhein-Westfalen nur ein einziges Mal auf dem Spielplan steht: Am 23.10 sind die Faune in Düsseldorf zu Gast.
Die CD umfasst ein mattes Digipak mit umfangreichem Booklet inklusive aller Songtexte.
Verlosung: 3 CDs warten auf Euch!
NRW Alternativ verlost drei Exemplare des neue Faun-Albums „Hex“! Um im Lostopf zu landen, schreibt bitte eine E-Mail an post ät nrw -alterntiv punkt de (ja, aus Spamschutzgründen müsst ihr die Mailadresse vor dem Abschicken noch in ihre richtige Form überführen, aber ihr schafft das schon ;)) und zwar mit dem Betreff „Faun“. Um zu gewinnen, beantwortet darin bis spätestens zum 19. Oktober 2025 bitte folgende Frage: Mit welchem Thema beschäftigen sich die Faune auf ihrem neuem Album „Hex“?
Die Gewinner werden per Mail nach Ihrer Postadresse gefragt, damit wir das Album zuschicken können. Und keine Angst: Wir speichern keine Daten, nach Ende des Gewinnspiels und der Auslosung der drei Gewinner werden die Mails sämtlich gelöscht. Alle Gewinnspiel-Bedingungen finden sich hier. NRW Alternativ drückt die Daumen!