Nathaniel ist seit einer Familientragödie, bei der er sein Augenlicht verlor, blind und einsam. Um ein farblich passendes Hemd auszuwählen, lässt er sich von der App „Be my Eyes“ mit einem per Zufallsgenerator ausgewählten sehenden Menschen verbinden, der diese Aufgabe für ihn übernehmen soll. Die beiden Gesprächspartner wechseln am Telefon einige freundliche Worte, Nathaniel erfährt, dass sein Gegenüber Carole heißt – und dann ertönt plötzlich ein markerschütternder Schrei. Er hört noch einen dumpfen Aufprall, dann ist die Leitung tot.
Nathaniel ist sich sicher: Carole ist etwas zugestoßen! Aber niemand glaubt ihm ...
Zum Glück erinnert sich Nathaniel noch an die TV-Journalistin Milla, die kurz zuvor einen Beitrag über ihn gedreht hat. Milla ist nicht nur von Natur aus neugierig, sondern auch hilfsbereit. Und so ermitteln Milla und Nathaniel bald schon gemeinsam in einem Fall, der keiner zu sein scheint. Denn als die Polizei schließlich bei Carole klingelt, ist sie völlig unversehrt zu Hause und behauptet, lediglich auf der Treppe gestürzt zu sein. Doch Nathaniel ist sich sicher: Das ist nicht ihre Stimme, das ist nicht Carole! Doch wo ist die echte Carole und warum versucht jemand, ihre Rolle einzunehmen?
Die Schweizerin Christine Brand hat für ihren Krimi eine interessante Ausgangslage geschaffen. Es gelingt ihr spielend, uns in die Welt eines Blinden zu entführen. Die Reaktionen der Sehenden auf und mit dem Blinden werden ein ums andere Mal sehr realistisch geschildert. Leider bleiben die beiden Hauptcharaktere recht farblos, und die vielen ablehnenden Reaktionen sind zwar wahrscheinlich, tragen aber nicht zum Spannungsaufbau bei. Erst beim Showdown nimmt die Geschichte richtig Fahrt auf, doch dann lässt das Ende enttäuschend viele Fragen offen.
Übrig bleibt ein solider Krimi, der mit seiner Thematik zwar überzeugt, dem aber das Zeug zu wirklicher Faszination fehlt.
„Blind“ erschien bei Blanvalet. Das entsprechende Hörbuch von Random House Audio präsentiert eine gekürzte Lesung auf zwei MP3-CDs, die gekonnt von Martina Treger vorgetragen wird. Wer den direkten Download wählt, kann auch einer ungekürzten Version lauschen.