David Morrell: Der Opiummörder

Buchvover von David Morrell: Der Opiummörder. Knaur Verlag
David Morrell: Der Opiummörder. Knaur Verlag

Und noch ein spannender Schmöker – (nicht nur) für die Ferienzeit: Im London des Jahres 1854 versetzt ein offenbar sinnlos brutaler Mörder die ganze Stadt in Angst. Nachts traut sich niemand mehr auf die Straßen, Verdächtige werden von wütenden Mobs gelyncht. Die Stadt brodelt vor Gerüchten; wer die Mittel hat, flüchtet sich aufs Land. Detective Shawn Ryan und sein Assistent Becker arbeiten mit Hochdruck an der Aufklärung der Verbrechen, doch sie haben keine richtige Spur.

Als der alte und ausgezehrte Schriftsteller Thomas de Quincey zusammen mit seiner unkonventionell klugen Tochter auf der Bildfläche auftaucht, verdächtigen sie zunächst ihn. Denn mit seiner Abhandlung "Der Mord als eine schöne Kunst betrachtet" hatte der bekennende Laudanumsüchtige kurz zuvor einen Skandal ausgelöst. Doch De Quincey kann der Polizei mehr helfen, als ihm selbst und der Staatsgewalt lieb ist, und schon bald findet er sich im Abenteuer seines Lebens wieder.

Das Besondere an dieser spannenden Geschichte sind nicht nur die verschrobenen Hauptfiguren, sondern auch die geschichtlichen Erläuterungen, die der Erzähler vielen Kapiteln voranstellt. Zusammen mit dem Vor- und Nachwort erhalten Interessierte einen faszinierenden Blick in das London zur Mitte des 19. Jahrhunderts – in eine Millionenstadt, die anderen in vielerlei Hinsicht voraus war. Einige Fakten sind so unglaublich, dass sie zunächst wie ausgedacht erscheinen – doch der Autor führt am Ende in einem beeindruckenden Literaturverzeichnis die Quellen für seine Recherchen zusammen. Wer hätte gedacht, dass Laudanum (eine Tinktur aus 90 Prozent Alkohol und 10 Prozent Morphium; der Vorläufer des Heroins) zu diesem Zeitpunkt in England so gebräuchlich war wie heute Aspirin – und natürlich ein großer Teil der englischen Bevölkerung abhängig davon war? Selbst Kleinkinder wurden damit ruhiggestellt, wenn sie nicht aufhören wollten, zu schreien. Oder dass es von Männern generell vermieden wurde, bestimmte Themen in Gegenwart von Frauen anzusprechen – nämlich alle, die sie irgendwie verstören könnten. Dafür trugen die Frauen zu dieser Zeit Kleider, deren Gewicht der Ausrüstung von mittelalterlichen Rittern in Harnisch nahe kommt. Um es mit den Worten von De Quincceys Tochter zu sagen: „Kein Wunder, dass die Frauen so oft ohnmächtig wurden!“

 

Morrell ist ein routinierter Schreiber, dem man gerne in diese ferne, machmal erschreckende, aber immer faszinierende Zeit folgt. Die Lektüre macht Lust, sich selbst weiter mit der Thematik auseinanderzusetzen. Wer Lust hat auf eine packende Zeitreise, der darf den Opiummörder bedenkenlos in seinen Urlaubskoffer packen.