Jesper Stein: Aisha

Cover des Buches "Aisha" von Jesper Stein, das die Rezension des Buches begleitet.
Jesper Stein: Aisha. Thriller. Kiepenheuer und Witsch 2018.

Darf man ein kleines Opfer in Kauf nehmen, um ein großes zu verhindern? Diese Frage begleitet die Menschen seit der Antike, und bis heute gibt es darauf wohl keine befriedigende Antwort. Das alte moralische Dilemma ist auch der Schlüssel zu einer Mordserie, die Axel Steen, Kommissar der Kopenhagener Polizei, im vierten Band der Krimireihe aufzuklären versucht - was die Leser, natürlich, erst am Ende der Geschichte erfahren. Bis dahin werden sie allerdings äußerst gut unterhalten. "Aisha" ist spannend, glaubwürdig und atmosphärisch - und damit genau richtig für gemütliche Lesestunden auf dem Sofa.

Das Cover zeigt einen zerberstenden Kelch mit Rotwein, der Name des Autors scheint wie von Blut besudelt, unter dem Titel steht "Thriller". Eigentlich wollte ich das Buch darum schon gar nicht lesen, denn so viel Gewalt, so viel Action, wie der Einband verspricht, das ist dann doch zu dick aufgetragen. So funktionieren nordische Krimis nicht. Doch einmal mit dem Schmöker angefangen, wurde ich positiv überrascht: Bis auf die spektakuläre Eingangsszene, in der die erste Leiche gefunden wird, und die gekonnt den Spannungsbogen aufbaut, entpuppt sich "Aisha" als die Schilderung von guter, alter Polizeiarbeit - spannend und sachlich fundiert geschrieben. Dazu kommen interessante, nicht zu eindimensionale Charaktere und die Beschreibung von Kopenhagen als gar nicht so idyllische Fahrradstadt in einem gar nicht so harmlosen nordischen Land. Der Protagonist Axel Steen, ein typischer Noir-Detektiv, hat gerade eine Art Läuterung erfahren; hat eingesehen, dass es nicht immer klug ist, alle um sich herum zu verschrecken, und versucht es jetzt auf die nette Tour. Zudem ist er frisch verliebt. Allein das ist unterhaltsam zu verfolgen, doch der Kriminalfall lässt ihm natürlich keine Ruhe. Es scheint, als wollten die Kollegen vom Geheimdienst etwas vertuschen - aber was, und warum? Die von dort entsandte Hilfe in Gestalt eines Immigrantensprosses namens Kahlid entpuppt sich zudem als Hindernis, als erste Ermittlungen ins Salafistenmilieu weisen ...

"AISha" ist kein Thriller, aber ein Toller Krimi

Zum Ende hin gibt es dann ein actionreiches und ein wenig übertriebenes Finale, doch die losen Enden werden plausibel zusammengeführt, und, was mir am besten gefällt: Nicht alle Fragen werden beantwortet. Das lässt Raum für weitere, andere, neue Ermittlungen. Denn wer "Aisha" gelesen hat, der möchte auch die anderen Bände lesen und all die weiteren, die es hoffentlich noch geben wird. Denn der Roman ist zwar kein Thriller, sondern ein Krimi, aber ein außerordentlich spannender; und kein Pageturner, aber ein Schmöker, der sehr, sehr gut erzählt wird. Wer Lust hat auf hervorragende Kriminalliteratur, der ist hier richtig. Ganz egal, ob man mit "Aisha" anfängt oder mit einem anderen Band der Reihe: Viel Freude beim Lesen!

 

"Aisha" auf der Seite des KiWi-Verlages